Warum Saatgut tauschen?


Gedanken zu unserer diesjährigen Saatgut-Tauschbörse am 25.2.2024

Ja, ich weiß, für diejenigen, die reine Sorten an Gemüse im Garten haben möchten, sind Saatgut-Tauschbörsen ein gefährlicher Ort.
Denn dort finden sich in der Regel wir Hobbygärtner*innen zusammen und wer von uns schafft es schon, penibel darauf zu achten, dass sich die Sorten nicht verkreuzen?
In diesem Fall also doch besser bei einem zertifizierten Bio-Saatgut-Anbieter kaufen.

Warum aber lohnt es sich trotzdem sehr, Saatgut zu tauschen?

Wir verändern unser Konsumverhalten.
Lösen wir uns doch mal langsam vom dem Gedanken, immer nur kaufen zu müssen. Es gibt so viele andere Möglichkeiten, Sachen zu erwerben, die man benötigt oder glaubt, zu benötigen. Und eine davon ist nun mal das Tauschen.
Eigenes Saatgut im Garten zu ernten, erweitert den Blick auf unsere Pflanzen. Wir erfahren, wie gut die Natur für sich selbst sorgen kann (wenn Mensch nicht immer eingreift). Viele Sommerblumen erhalten sich selbst durch Selbstaussaat. Wahrzunehmen, wie schön viele Gemüsesorten im zweiten Jahr blühen und was für eine Menge an Insekten sich an diesen erfreuen, ist auch für die Gärtnerin beglückend zu beobachten.
Wir erfahren Selbstwirksamkeit bei der ‘Herstellung’ des eigenen Saatgutes und sind stolz auf unsere ‘eigenen’ Sorten.

Saatguttausch trägt bei zum Erhalt der Artenvielfalt

Wer sein Saatgut jahrelang selbst gewinnt, läuft vor allem bei Fremdbefruchtern Gefahr, deren genetische Variabilität einzuschränken und dadurch Inzuchterscheinungen hervorzurufen. Im meist von der Größe her überschaubarem eigenen Garten mit geringer Anzahl an einzelnen Sorten ist es in der Regel nicht möglich, die genetische Vielfalt einer bestimmten Sorte vital zu erhalten.
Also: Auf einer Tauschbörse nach der gewünschten Sorte Ausschau halten und den Gen-Pool der jeweils gewünschten Sorte durch gegenseitiges Tauschen wieder auffrischen.

Immer häufiger findet man bei Tauschbörsen auch Saatgut von regionalen Wildpflanzen.
Unser Gemeinschaftsgarten wurde zum Beispiel auch in diesem Jahr von regionalen Saatgutzüchterinnen und Erhaltern reich beschenkt an Spenden mit insektenfreundlichen Blühpflanzen, von denen wir auf unserer Saatgut-Tauschbörse viele weitergeben konnten.
So können wir nicht nur etwas zum Erhalt von Sorten alter Kulturpflanzen beitragen, sondern auch zur Biodiversität unserer heimischen Natur.

Eigenes Saatgut tauschen bedeutet Ernährungssouveränität

Ein großes Thema und uns Hobbygärtner*innen in Mitteleuropa nicht unbedingt bewusst, bzw. nicht von unmittelbarer Dringlichkeit.

Schon immer haben Landwirt*innen in allen Ländern eigenes Saatgut von ihrer Ernte zurückbehalten für die Aussaat im nächsten Jahr. Und schon immer wurde dieses Saatgut untereinander getauscht. Dadurch wurde regionales, stadortangepasstes Saatgut gezüchtet und Biodiversität erhalten und gefördert.
Seit dem letzten Jahrhundert haben immer mächtiger werdende Saatgut-Konzerne durch den zunehmenden Verkauf von Hybrid-Saatgut die Macht über die weltweite Ernährung immer mehr unter sich aufteilen können. So kontrollieren heute allein die drei umsatzstärksten Unternehmen – Monsanto-Bayer, DuPont und Syngenta – 53 Prozent des Marktes.
Hybrid-Saatgut lässt sich im Folgejahr nicht wieder erfolgreich anbauen, die Bäuer*innen sind somit in jedem Jahr zum Neukauf gezwungen, wobei die Biodiversität auf der Strecke bleibt, in den vergangenen hundert Jahren haben wir bereits weltweit etwa 75 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Vielfalt verloren.
Und die Abhängigkeit von den mächtigen Konzernen, die passenderweise auch Düngemittel und Pestizide in ihren Verkaufspaketen mitliefern, treibt viele Kleinbäuer*innen weltweit in den wirtschaftlichen Ruin.
Mit jedem getauschten Saatkorn schärfen wir also auch den Blick dafür, dass die Herstellung von Lebensmitteln nicht in den Rachen von Konzernen gehört, sondern in die Hände von Bäuer*innen und Gemüsegärtner*innen.

Saatgut ist Kulturgut

Das Wissen um die Vermehrung von Nutzpflanzen haben die Menschen in den letzten Jahrtausenden zeitaufwändig erworben, immer wieder dazugelernt und von einer Generation an die nächste weitergegeben.
Regionale Pflanzenzüchtung bedeutet jahrelange Arbeit, genaues Beobachten, Schmecken und Selektieren, dabei passen sich die Pflanzen optimal an Boden und Klima an. Das Wissen darüber hatte früher jede Frau und die meisten Männer. Der Bedarf an (Heil-)Kräutern, Gemüse und Schnittblumen wurde in früheren Zeit zum größten Teil aus den Hausgärten gedeckt. Saatgut wurde zu Recht als das gemeinsame Erbe der Menschheit betrachtet.
Die Vielfalt der regionalen Sorten gehört daher uns allen und niemandem privat.

Saatgut tauschen bedeutet gemeinschaftliches Zusammenkommen und macht Spaß

Für mich ist das Veranstalten oder die Teilnahme an einer Saatgut-Tauschbörse auch immer Freude am Austausch mit anderen.
Wie viele unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Liebhabereien und Wissensschätzen finden sich an einem solchen Tag zusammen!
Man lernt sich kennen, tauscht Erfahrungen aus und entdeckt immer wieder bisher unbekannte Sorten (ja, auch wir haben wieder ganz tolle zusätzliche Tomatensorten entdeckt, die wir in diesem Jahr unbedingt ausprobieren möchten).
Und es macht so viel Spaß, zu verschenken und beschenkt zu werden.

Und ja, selbst geerntetes Saatgut von anderen ist auch immer wieder gut für Überraschungen: Manch eine Sorte hat man nicht erwartet- aber hätte sie vielleicht sonst auch niemals entdeckt.
Unsere Gartentische sind so reichlich gedeckt, wir haben so viel weiterzugeben!

Falls ihr es für diese Gartensaison noch nicht gemacht habt:
Schaut euch um, wo noch Tauschbörsen in eurer Nähe stattfinden, da wird man im Netz mittlerweile gut fündig.

Unsere LeihSämerei im
Foyer des Kiez zentrums Villa Lützow
Lützowstraße 28
10785 Berlin

in welche wir und andere Gärtner*innen überschüssiges Saatgut einstellen ist
Di-Do, in der Zeit von 11.00 – 17.00 öffentlich zugänglich.

Falls ihr es für diese Gartensaison noch nicht gemacht habt:
Schaut euch um, wo noch Tauschbörsen in eurer Nähe stattfinden, da wird man im Netz mittlerweile gut fündig.

Unsere LeihSämerei im
Foyer des Kiez zentrums Villa Lützow
Lützowstraße 28
10785 Berlin

in welche wir und andere Gärtner*innen überschüssiges Saatgut einstellen ist
Di-Do, in der Zeit von 11.00 – 17.00 öffentlich zugänglich.







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